Norwegens Schach-König zieht alle in den Bann

Oslo – Für ihn schlagen sich die Norweger die Nacht um die Ohren: Als Schach-Ikone Magnus Carlsen zum dritten Mal Weltmeister wird, sehen in dem Land mit gut fünf Millionen Einwohnern mehr als eine Viertelmillion Menschen im Fernsehen zu.

Viele von ihnen haben Schach vor Jahren noch als schnödes Brettspiel abgetan. Doch seit das Wunderkind Carlsen die Bildfläche betreten hat, stürzen sich Medien und Mädchen auf König Magnus. Der junge Schachweltmeister, der seinen dritten Titel ausgerechnet zu seinem 26. Geburtstag holte, ist einer der größten Stars seines Landes.

«Ganz Norwegen sollte jetzt stolz auf den weltbesten Carlsen sein», jubelt der Kommentator der Zeitung «Verdens Gang». Ganz Norwegen ist stolz auf seinen Dreifach-Champion, so scheint es. «#KönigMagnus regiert weiter. Glückwunsch, @MagnusCarlsen! Du bist der Beste!», schreibt ein Fan auf Twitter. Mit seiner Dankesrede nach dem Triumph, in der er seinen Vater «den besten Menschen, den ich kenne», nennt, erweicht Carlsen die Herzen seiner härtesten Kritiker.

Norwegische Zeitungen hatten ihn als hitzig und schlechten Verlierer beschimpft, nachdem er nach einer verlorenen WM-Partie aus einer Pressekonferenz gestürmt war. Tatsächlich ist Carlsen ein ungeduldiger Mensch. «Ich langweile mich leicht», sagt er dem britischen «Telegraph» 2015. Nicht gerade ein Satz, den man von einem Schachgroßmeister erwartet, der stundenlang ruhig sitzen kann und seine Gegner mit seiner Kondition zermürbt. Nach Titel Nummer drei attestiert der frühere Ministerpräsident Jens Stoltenberg Carlsen «Nerven aus Stahl», während sein ehemaliger Lehrmeister Simen Agdestein seine «arrogante Körpersprache» kritisiert.

Dass manche ihn eingebildet und den Medien-Hype um die Schachikone überzogen finden, dürfte an Carlsens selbstsicherem Auftreten liegen. Bei Pressekonferenzen schneidet er schon mal Grimassen oder starrt uninteressiert in die Luft. Die meisten Norweger finden es aber okay, dass er emotionaler ist als andere Schachspieler. Für einen 26-Jährigen, der schon als Teenager Superstar-Status erreicht hat, Millionen mit Preisgeldern, Sponsoren- und Modelverträgen verdient und 2013 laut «Times»-Liste zu den 100 einflussreichsten Menschen der Welt gehörte, hat Carlsen schließlich viel Bodenhaftung.

Das hat er vor allem seinen Eltern und seinen drei Schwestern zu verdanken. «Meine Familie bedeutet mir alles», sagt Carlsen in der Nacht zum Donnerstag. Sie ist oft dabei, wenn er zu Schachturnieren um die Welt reist. Gegen sie spielte er als kleiner Junge auch seine ersten Partien.

Schon als er fünf Jahre alt ist, fällt dem Vater Magnus‘ beeindruckendes Gedächtnis auf. Mit acht Jahren schlägt er seine ältere Schwester Ellen und Papa Henrik – beide begeisterte Schachspieler. 2013 wird er zum ersten Mal Weltmeister, 2014 verteidigt er seinen Titel.

Unter den Norwegern bricht mit dem ersten Weltmeister-Titel die Magnus-Euphorie aus. Das Land feiert sein Wunderkind, und auch das Ausland staunt über den «Mozart des Schach». Endgültigen Popstar-Status bekommt Carlsen aber erst 2017: Dann übernimmt er eine Gastrolle in der beliebten US-Zeichentrickserie «Simpsons».

Nur eins war dem Norweger bislang nicht vergönnt: Obwohl ihn «Cosmopolitan» 2013 zu einem der «Sexiest Men» erklärte und er Liebesbriefe en masse bekommt, habe er sich noch nie verliebt, hat Carlsen dem «Telegraph» gestanden. «Ich bin natürlich verknallt gewesen, aber nicht verliebt.»


(dpa)

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