Frankfurt/Main – Nach dem ärgerlichen Rückschlag wollte Thomas Tuchel kein Wort zu viel verlieren. Seine knappe und knackige Generalkritik an seinen Profis verübte der Trainer von Borussia Dortmund mit ernüchterter Stimme, finsterer Miene und einer großen Portion Frust.
«Technisch, taktisch, mental und von der Bereitschaft her – unsere Leistung war ein einziges Defizit», schimpfte Tuchel nach dem 1:2 (0:0) bei Eintracht Frankfurt. Für den Übungsleiter war das mehr als nur eine einfache Niederlage in einem Verfolgerduell der Fußball-Bundesliga.
Der BVB ist in dieser Saison ein spannendes Projekt. Er ist eine besonders junge Mannschaft mit vielen Zu- und bedeutenden Abgängen, bei der Tuchel derzeit nur zwei große Probleme ausmacht: Konstanz und Einstellung. Beides prangerte der Trainer nach der Pleite am Samstag ungewohnt offen an: «Das hat in der Trainingswoche angefangen, heute war es von der ersten bis zur letzten Minute eine Leistung, die keinen Punkt verdient hat», sagte er. «Mit so vielen Defiziten in unserem Spiel ist in der Bundesliga kein Auswärtssieg zu holen.»
In schöner Regelmäßigkeit wechseln sich beim Vizemeister Festabende wie das 8:4 in der Champions League gegen Legia Warschau oder der 1:0-Sieg gegen den FC Bayern mit Rückschlägen wie in Frankfurt oder beim 3:3 in Ingolstadt ab. «Unsere gesamte Saison verläuft in einem Auf und Ab. Das ist sehr unbefriedigend», monierte Tuchel. Dafür sprechen auch die Zahlen: Mit 27 Toren ist der BVB gemeinsam mit Tabellenführer RB Leipzig zwar das stärkste Offensivteam der Liga. Dennoch liegen die Dortmunder bereits neun Punkte hinter den Sachsen.
Noch im Oktober hatte Tuchel sein junges Team inmitten der hohen Belastung durch Liga, Pokal und Champions League in Schutz genommen: «Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht.» Diese Phase scheint nun vorbei, schon vor dem Spiel in Frankfurt hatte der Coach die Profis öffentlich «zum nötigen Biss» aufgefordert und intern die Defizite angesprochen. «Der Trainer hat uns klar gesagt, dass er mehr Spannung erwartet im Training als in dieser Woche. Wir müssen auf jeden Fall die nötige Schärfe wieder reinkriegen», räumte Mittelfeldspieler Julian Weigl ein.
Wie sehr diese fehlte, sah man beim Gastspiel in Hessen am deutlichsten bei den Gegentoren. Der eingewechselte Haris Seferovic (79. Minute) konterte den Ausgleich von Pierre-Emerick Aubameyang (77.) unmittelbar, zuvor hatte Szabolcs Huszti die SGE mit dem ersten Angriff der zweiten Halbzeit in Führung gebracht.
«So wie wir aus der Kabine gegangen sind, hätte es mich fast gewundert, wenn wir kein Gegentor gekriegt hätten», sagte Tuchel mit einer großen Portion Sarkasmus. Auch den jungen Weigl ärgerte das zweite Frankfurter Tor besonders. «Das kann nicht sein. Das ist das Schlimmste, was einem passieren kann.»
In den nächsten Partien gegen Gladbach und bei Real Madrid geht es für den BVB innerhalb von wenigen Tagen um den Anschluss in der Liga und um den Gruppensieg in der Königsklasse. «Die Situation ist sehr ärgerlich, weil wir wieder an Boden verloren haben. Nach den letzten Wochen, in denen wir uns gefangen haben, ist das schon ein Rückschlag», sagte der Ex-Frankfurter Sebastian Rode. Er machte auch «fehlende Cleverness» als Grund für das 1:2 aus – für seinen Trainer war diese Facette nur ein kleiner Teil des «einzigen Defizits».
(dpa)
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