Berlin (dpa) – Seine neun Tore sind noch immer EM-Rekord. Kein anderer Spieler hat bei Fußball-Europameisterschaften bislang mehr Treffer erzielt. Kein Cristiano Ronaldo, kein Zlatan Ibrahimovic – und auch kein Gerd Müller, Jürgen Klinsmann oder Rudi Völler.
Was diesen Rekord jedoch so besonders macht: Michel Platini braucht dafür nur ein einziges Turnier. 1984 prägt der kleine Franzose wie selten zuvor und danach ein einzelner Akteur eine Kontinentalmeisterschaft. Bei seiner Heim-EM wird er als «Mozart des Fußballs» geadelt.
Zwar ist Platini 32 Jahre nach seinem sportlichen Höhepunkt auf dem sportpolitischen Tiefpunkt angekommen. Vom Weltverband gesperrt, als UEFA-Präsident zurückgetreten, als FIFA-Chef verhindert. Aus der öffentlichen Wahrnehmung droht der Funktionär Platini bald schon weitgehend zu verschwinden. Der geniale Spieler Platini aber wird in Erinnerung bleiben. Nicht nur wegen seiner Kunststücke während der EM 1984 in Frankreich. «Wir haben ihm viel zu verdanken», sagte der damalige Trainer Michel Hidalgo in dezenter Untertreibung.
Beim 1:0-Sieg im Eröffnungsspiel gegen Dänemark erzielt Platini in der 79. Minute den entscheidenden Treffer. Beim 5:0 gegen Belgien und dem 3:2 gegen Jugoslawien gelingen dem Mann mit der Nummer 10 jeweils drei Tore. Die Deutschen scheitern schon in der Vorrunde, Platini dagegen sagt: «Wenn man uns zaubern lässt, dann zaubern wir eben.»
Im Halbfinale gegen Portugal bewahrt er eine Minute vor Schluss der Verlängerung seine Mannschaft mit dem Treffer zum 3:2 vor einem Elfmeterschießen. Und dann das Endspiel gegen Spanien.
In der 57. Minute bekommen die Franzosen einen umstrittenen Freistoß zugesprochen. Platini tritt an, der bis dahin tadellose Torwart Luis Arcona lässt den von der Strafraumgrenze platziert, aber nicht übermäßig hart getretenen Schuss aus den Armen über die Torlinie gleiten. Der neunte Turniertreffer des Regisseurs und Torjägers in Personalunion entscheidet die Partie. «Als ob der Ball von Frankreichs Mannschaftskapitän verhext worden wäre», schreibt der Korrespondent der Deutschen Presse-Agentur damals. In der Nachspielzeit erzielt Bruno Bellone nach einem Solo den 2:0-Endstand.
«Er hat gezaubert, dirigiert und jede Menge Tore geschossen», heißt es im Buch über die «Die besten Mittelfeldspieler der Welt». Platini wird zum Spieler des Turniers gewählt. Die Blätter überbieten sich mit Schlagzeilen der Superlative, die Vergleiche mit Pelé, Johan Cruyff und Franz Beckenbauer lassen nicht lange auf sich warten. Doch bei aller Wertschätzung für den Einzelkönner: Platini profitiert auch von Mitspielern wie Jean Tigana, Luis Fernandez und Alain Giresse. Sie verrichten für ihren Chef jede Menge Laufarbeit im Mittelfeld und werden von Fachleuten als «magisches Viereck» gepriesen.
Platini aber ragt im Alter von 29 Jahren heraus. «Die Ein-Mann-Show des unersättlichen Platini», schreibt «Le Figaro» nach der Vorrunde. «Platini war wieder wunderbar. Er hat im richtigen Moment seine Weltklasse bewiesen. Es würde mich nicht wundern, wenn er uns auch noch zum EM-Titel schießt», sagt Hidalgo nach dem Sieg gegen Jugoslawien – acht Tage später sollte er Recht behalten.
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(dpa)