«König Otto II.» eroberte 2004 Europa mit Retro-Taktik 

Monte Carlo (dpa) – Nicht Deutschland, nicht Spanien, nicht Italien oder Frankreich. Nicht Michael Ballack, Andrea Pirlo, Cristiano Ronaldo, Raúl, David Beckham oder Zinedine Zidane. Nein: Griechenland, eine Truppe ohne große Stars von internationalem Kaliber. Dafür mit Otto Rehhagel.

Der damals 65 Jahre alte ehemalige Bundesliga-Coach holte das Beste aus seinen spielerisch eher limitierten Jungs heraus und führe die Griechen drei Jahre nach seiner Amtsübernahme mit Libero und Manndeckung zum größten Erfolg des Landes.

«Der griechische Triumph zeigte dem Rest von Europa, dass mit harter Arbeit, Selbstvertrauen, einem unbändigen Willen und natürlich auch Glück alles möglich ist», schreibt die Europäische Fußball-Union auf ihrer Homepage über die EM 2004, bei der die deutsche Mannschaft vier Jahre nach dem Totaldesaster von Belgien und den Niederlanden schon wieder nach der Vorrunde ausschied.

Nicht mal einen Sieg schaffte die Mannschaft unter Teamchef Rudi Völler: 1:1 gegen die Niederlande, 0:0 gegen Lettland, 1:2 gegen Tschechien. Völlers Zeit als Nationalcoach war vorbei. «Ich hätte gern weitergemacht. Aber Egoismus wäre ein falscher Freund. Mein Nachfolger soll unbefleckt an die Aufgabe herangehen», sagte er. Jürgen Klinsmann übernahm mit Joachim Löw die sportliche Leitung.

In Portugal feierte dennoch ein Deutscher. Ob «Rehakles» oder «König Otto II.», mit seinem Triumph auf der Bank der Hellenen wird Rehhagel ewig Teil griechischer Fußball-Geschichte bleiben. Dass er seine Hintermannschaft um den hünenhaften Libero Traianos Dellas (Rehhagel: «Koloss von Rhodos») mit einer antiquiert erscheinenden Manndeckung operieren ließ – für Rehhagel sekundär. Sein Credo: «Modern ist, wenn man gewinnt.»

Und Griechenland gewann zum Erstaunen von ganz Fußball-Europa. Im Finale bezwangen die Hellenen den Gastgeber um den damals 19 Jahre alten Ronaldo mit 1:0. Angelos Charisteas, bestens bekannt aus der Bundesliga, erlebte mit dem Kopfballtor zum Titel den absoluten Höhepunkt seiner Karriere.

Es war der zweite, allerdings weitaus heftigere Schock, den die pragmatischen Griechen den Portugiesen versetzten. Im Eröffnungsspiel hatten Rehhagels hochdiszipliniert agierenden Profis die Techniker um Figo und Ronaldo bereits mit einem 2:1-Sieg entzaubert. Die große EM-Euphorie wich im Gastgeberland erstmal einer gewissen Starre.

Auch die Spanier bekamen die griechische Fußball-Philosophie à la Theater-Liebhaber Rehhagel zu spüren: Nur 1:1 im Gruppenspiel. Unvergessen blieb aber auch, wie sich Rehhagel danach in Rage redete, nur weil es schwarze Tornetze gegeben hatte. Über Frankreich (Viertelfinale) und Tschechien (Halbfinale) marschierte Griechenland ins Endspiel.

Schnell hatte Rehhagel bei seiner Amtsübernahme erkannt, woran es bei seinem neuen Team vor allem haperte. «Ich habe in 40 Jahren als Spieler und Trainer noch niemals eine so kämpferisch schwache Mannschaft gesehen», sagte er nach einer 1:5-Klatsche bei seinem Debüt gegen Finnland.

Zusammen mit seinem deutschsprachigen Assistenten Ioannis Topalidis, der somit auch als Dolmetscher gefragt war, lehrte Rehhagel den Spielern aus dem Land der Philosophen die deutschen Tugenden  – mit Erfolg.  

Angeführt und angetrieben wurde das Team auf dem Platz von Theodoros Zagorakis, er war der technische Fixpunkt einer ansonsten soliden Mannschaft mit vorzugsweise defensiven Qualitäten. Zagorakis war auch zum besten Spieler des Turniers gewählt worden. Kein Ballack, kein Beckham, kein Ronaldo oder Zidane.

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(dpa)