Sich gesund und bewusst zu ernähren, auf Fastfood und Fertiggerichte zu verzichten und beim Einkaufen auf biologisch angebaute Lebensmittel zu achten – das ist im Prinzip eine gute Sache. Anders sieht es aus, wenn eine gesunde Ernährung zur Besessenheit wird und das Leben sich fast um nichts anderes mehr dreht. Denn spricht man von Orthorexie, einer besonderen Form der Essstörung.
Kinder ebenfalls von Orthorexie bedroht
Der Begriff Orthorexie stammt aus dem Griechischen und heißt so viel wie „der richtige Appetit“. Eingeführt hat ihn 1997 der US-amerikanische Arzt Steven Bratman, der damit ein Symptom bezeichnete, das er auch an sich selbst entdeckt hatte. Bratman hatte jahrelang die verschiedensten Diäten ausprobiert, für sich selbst und seine Patienten. Irgendwann bemerkte er bei sich einen krankhaften Umgang mit dem Essen und stellte fest, dass es im Rahmen der exzessiven Auseinandersetzung mit dem Thema Nahrung „zu Ernährungsphilosophien mit stark ideologischer Komponenten kommen kann“, wie die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie schreibt. Betroffen sind auch Kinder, wie 2001 die US-Psychologin Wendy Mogel belegte. Demnach neigen sie zu Esstörungen, wenn ihre Eltern die Ernährung penibelst überwachen und in Bezug auf Lebensmittel moralische Kategorien wie „gut“ und „böse“ etablieren.
Im Extremfall drohen soziale Isolation und Mangelerscheinungen
Orthorektikern, also den Menschen, die an Orthorexie leiden, geht es nicht ums Abnehmen, sie wollen sich vor Krankheiten schützen und vorhandene Leiden mindern. Sie räumen der Ernährung mit der Zeit einen immer größeren Stellenwert ein, bis die gesunde Ernährung zur Manie wird. Sie belehren oder verachten andere Menschen, die sich in ihren Augen falsch ernähren, schlagen Einladungen zum Essen aus und gehen nicht in Restaurants, weil sie dort nicht die Kontrolle über das servierte Essen haben. Es droht daher die soziale Vereinsamung, aber auch gesundheitliche Folgen kann die Orthorexie haben. Und zwar dann, wenn sich Betroffene in einen regelrechten Gesundheitswahn hineinsteigern, der gleichzeitig von tiefem Misstrauen den erhältlichen Lebensmitteln gegenüber geprägt ist. Dann sind irgendwann alle Waren verdächtig, überall könnten Verunreinigungen oder Keime drinstecken – und der Orthorektiker, der sich eigentlich so gesund ernähren möchte, ernährt sich mangelhaft und isst zu wenig.
Orthorexie nicht als Essstörung anerkannt
Als Essstörung im medizinischen Sinne ist Orthorexie bislang nicht anerkannt, sie gilt als Ernährungsstörung. Betroffene müssen lernen, das Essen wieder zu genießen und eine gesunde Ernährung nicht als Zwang, sondern als Bereicherung anzusehen – und möglichst Fünfe auch einmal gerade sein zu lassen. Hilfe leisten können dabei Psychologen und Psychotherapeuten.
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